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Spendet und redet darüber!

von Peter Singer, Professor für Bioethik an der Universität Princeton

Es war Jesus, der sagte, wir sollten Almosen im Verborgenen geben und nicht vor den Augen der anderen. Das entspricht der landläufigen Annahme, dass Menschen, die ihre Wohltätigkeit öffentlich ausleben, wohl nur von dem Wunsch motiviert sind, durch ihre Großzügigkeit Anerkennung zu finden. Wenn keiner hinsieht, seien sie vielleicht gar nicht so generös.
Womöglich ist es dieser Gedanke, der bewirkt, dass wir mit Verachtung auf prominent platzierte philanthropische Inschriften auf Konzerthäusern, Museumsgebäuden und Bildungseinrichtungen blicken, mit denen Namen von Gönnern bekannt gegeben werden. Dabei prangen die Namenszüge oft nicht bloß einmal über dem ganzen Gebäude, sondern auf so vielen Gebäudeteilen, wie Spendenorganisationen und Architekten es möglich machen.

Laut Evolutionspsychologie handelt es sich bei einer derart demonstrativen Form der Wohltätigkeit um die menschliche Entsprechung zu den Schwanzfedern des männlichen Pfaus. Wie der Pfau mit seinem Rad Stärke und Fitness demonstriert – aus praktischer Sicht eigentlich eine reine Verschwendung von Ressourcen –, so signalisiert kostspielige öffentliche Wohltätigkeit potenziellen Partnern, dass man genug Ressourcen besitzt, um derartig viel herzugeben. Sollte man sich aber, aus ethischer Perspektive betrachtet, so sehr den Kopf über die Reinheit des Motivs zerbrechen, das jemanden dazu bringt, ein Geschenk zu machen? Worauf es ankommt, ist doch wohl, dass überhaupt etwas zu einem wohltätigen Zweck zur Verfügung gestellt wird. Wir können ja durchaus einen skeptischen Blick auf das aufwendige Konzerthaus werfen, aber nicht, weil dort der Name des Spenders in der Marmorfassade eingraviert wurde. Lieber sollten wir fragen, ob eine Welt, in der jeden Tag 25000 arme Kinder sterben, wirklich noch ein weiteres Konzerthaus braucht.

Ein maßgeblicher Teil der aktuellen psychologischen Forschungsergebnisse spricht gegen Jesus' Ratschlag. Einer der wesentlichsten Faktoren, der bestimmt, ob Menschen für wohltätige Zwecke spenden, ist nämlich, ob sie glauben, dass es auch andere tun. Diejenigen, die ihre Spendenbereitschaft öffentlich machen, erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass andere ihrem Beispiel folgen. Vielleicht erreichen wir irgendwann einen Punkt, an dem sich der Gedanke, ausreichend für die Ärmsten der Welt zu spenden, so weit durchgesetzt hat, dass man den Großteil der erwähnten 25000 täglichen Todesfälle verhindern kann.

Das hoffen etwa auch Chris und Anne Ellinger mit ihrer Website www.boldergiving.org zu erreichen. Auf dieser Internnetseite werden die Geschichten von über 50 Mitgliedern der sogenannten „50%-League“ erzählt – von Menschen, die in jedem der vergangenen drei Jahre entweder 50 Prozent ihres Vermögens oder 50 Prozent ihres Einkommens gespendet haben. Die Mitglieder der Liga möchten den Maßstab dafür verändern helfen, was als „normale“ oder „angemessene“ Spendensumme gilt.

Bei den Liga-Mitgliedern handelt es sich um ganz unterschiedliche Menschen. Tom White führte eine große Baufirma und spendete Millionen Dollar an Paul Farmer, der durch seine Aktivitäten armen Menschen in den ländlichen Gegenden Haitis eine Gesundheitsversorgung sichern will. Tom Hsieh und seine Ehefrau Bree setzten sich zum Ziel, mit weniger als dem Durchschnittseinkommen in den USA zu leben, das derzeit bei 46000 Dollar pro Jahr liegt. Als der 36-jährige Hsieh mehr verdiente, erhöhten sich auch seine Spenden. Sie fließen vorwiegend an Organisationen, die Armen in Entwicklungsländern helfen. Hal Taussig und seine Frau haben über 3 Millionen Dollar – 90 Prozent ihres Vermögens – gespendet und leben nun glücklich von ihrer Rente.

Die meisten Spender erleben das Geben als persönliche Befriedigung. Hsieh sagt, ob seine Spenden nun das Leben anderer gerettet haben mögen oder nicht, sein eigenes habe er damit in jedem Fall gerettet: „Ich hätte leicht ein langweiliges und belangloses Leben führen können. Jetzt erfahre ich die Gnade eines sinnerfüllten Lebens im Dienste meiner Mitmenschen.“ Wenn die Menschen Hal Taussig für seine Freigebigkeit loben, sagt er ihnen: „Ehrlich gesagt, ist das eben meine Art, Spaß im Leben zu haben.“

Die „50%-League“ legt die Latte hoch – für die meisten Menschen vielleicht zu hoch. James Hong richtete unter www.hotornot.com eine Website ein, auf der man bewerten kann, wie attraktiv man Menschen findet, die auf der Seite dargestellt werden. Damit wurde er reich. Er versprach, 10 Prozent aller seiner über 100000 Dollar liegenden Einkünfte zu spenden. Hongs diesbezügliche Website www.10over100.org lädt andere ein, es ihm gleich zu tun. Bis jetzt sind 3500 Menschen seinem Beispiel gefolgt. Hong setzt die Latte tief an. Wenn man weniger als 100000 Dollar verdient, braucht man gar nicht zu spenden. Bei einem Einkommen von beispielsweise 110000 Dollar, beträgt die zu spendende Summe lediglich 1000 Dollar, also weniger als ein Prozent des Einkommens. Das ist gar nicht allzu großzügig. Viele Menschen mit einem Einkommen von weniger als 100000 Dollar können es sich auch leisten, etwas zu spenden. Dennoch: Hongs Formel ist einfach und bei wirklich hohen Einkünften beginnt sie auch spürbar zu greifen. Wenn man nämlich eine Million Dollar pro Jahr verdient, sind 90000 Dollar oder 9 Prozent der Einkünfte als Spende fällig. Das ist mehr als die meisten reichen Leute geben.
Wir müssen unsere Scheu überwinden, über gute Taten zu sprechen. Stillschweigendes Spenden wird eine Kultur nicht verändern, in der es als vernünftig gilt, sein ganzes Geld für sich und seine Familie auszugeben, statt Bedürftigeren davon abzugeben. Dabei bringt es langfristig wahrscheinlich größere Erfüllung, anderen zu helfen.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

Eingetragen am: 17.08.2008 - 01:08 Uhr


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